Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe fordert:
Selbstschutz- und Selbsthilfeausbildung der Bevölkerung
Hilfeleistungen bei Unfällen, Notfällen oder Katastrophen sind immer einzelne ineinandergreifende und miteinander verkettete Aktionen eines komplexen Gesamtprozesses. Auch im Zivilschutz gilt, dass das gesamte Schutz- und Hilfeleistungssystem nur so stark ist wie das schwächste Glied in der Hilfeleistungskette. Aus diesem Grund darf nicht nur das professionelle Hilfeleistungssystem der staatlichen bzw. kommunalen Ebenen und der freiwillig mitwirkenden Organisationen gut ausgebaut sein. Selbstschutz und Selbsthilfe sind die elementarsten Maßnahmen in Notsituationen, ohne die kein vernünftiges Gefahrenabwehrmanagement wirkungsvoll funktionieren kann. Der Fähigkeit der Bürger, sich und ihre Nachbarn vorbeugend und beim Eintritt von Gefahren effektiv zu schützen und sich in gewissen Umfängen in Notlagen selbst helfen zu können, kommt daher im Zuge der Weiterentwicklung des Zivilschutzes eine herausragende Bedeutung zu. Das in den letzten Jahren spürbar gestiegene Interesse an Survival-Trainings und Survival-Medien belegt durchaus eine Bereitschaft der Bürger, sich einer Hilfeleistungsausbildung (Erste Hilfe, technische Hilfe, Eigenschutz usw.) zu unterziehen. Ähnliches gilt für die Anforderungen im Arbeitsschutz. Entscheidend für die Akzeptanz ist einerseits die Motivation, sich mit diesen Themen zu beschäftigen und der konkrete Zugang, inklusive der konkreten Medien, die dazu vom Bürger gewählt werden. Über die aktuellen sozialpolitischen Diskussionen, mehr Eigenverantwortung und mehr Eigenbeteiligung des Bürgers im Rahmen der gesamtgesellschaftlichen Daseinsvor- und -fürsorge einzufordern und das Konzept der Zivil- und Bürgergesellschaft umzusetzen, eröffnen sich Wege, mit der Bevölkerung auch mit diesen Themen in einen Dialog zu treten.
Für Bund, Länder, Kreise und Kommunen ergeben sich folgende Optionen, den Bereich Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit effektiver zu verankern:
• Einrichtung einer Medienzentrale („Bereich Medien“) als Teileinheit der gemeinsamen Koordinierungsstelle, die eine offensive Öffentlichkeitsarbeit betreibt, als ständige Aufgabe die Bürger über Selbstschutz und Selbsthilfe informiert und im Einsatzfall die rasche und offene Information der Bevölkerung sicherstellt,
• Aufnahme, Weiterentwicklung und Implementierung des Konzeptes eines „Bürgerkonzeptionierten Zivil- und Katastrophenschutzes“ in Form von lokalen / kommunalen / regionalen „Planungszellen“ mit dem Schwerpunkt des Selbstschutzes und der Selbsthilfe, wobei ebenfalls eine steuernde Einrichtung in Kooperation mit Ländern, Kreisen / Kommunen etc. nötig wäre,
• Bildung eines ständigen Selbstschutz- / Selbsthilfeausschusses, an dem Vertreter des Bundes, der Länder, der Kommunen, der Organisationen, der Forschung und der Medienanstalten teilnehmen können, Guidelines entwickeln und abstimmen, Medien- und Öffentlichkeitsarbeit festlegen sowie Einzelprojekte, wie Publikation und Verbreitung einer praxisorientierten Schutzfibel für Haushalte, Schulen, Vereine, definieren und zur Umsetzungsreife bringen; eine fachliche Ansiedlung dieses Arbeitsausschusses könnte z. B. an der AkNZ erfolgen, da ein Gros dieser Arbeit mit Pädagogik und Didaktik verknüpft ist,
• Integration von Selbstschutz- und Selbsthilfeinhalten in die vorschulische Erziehung sowie den Unterricht an allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen,
• Einrichtung von lokalen Anlaufstellen und Ausbildung von lokalen Kräften aus dem Kreise der Hilfsorganisationen für die Anleitung und aktive Begleitung von Selbstschutz- und Selbsthilfemaßnahmen größeren Umfangs imEreignisfall,
• Einführung einer erweiterten allgemeinen Hilfeleistungspflicht bei außergewöhnlichen Gefahren- und Schadenereignissen. Für die Herstellung und dauerhafte Gewährleistung einer effektiven Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit in der Breite der Bevölkerung ist ein umfänglicher Zeitrahmen einzukalkulieren, so dass mit der Umsetzung von konsensfähigen Einzelmaßnahmen schnellstmöglich begonnen werden muss.
aus Neue Strategie zum Schutz der Bevölkerung in Deutschland (pdf, 68 Seiten)